Dainem und wie er die Welt sieht

  • Zitat

    Im Land der explodierenden Abseitsfallen
    von André Mielke


    Machen Sie sich auch Sorgen? Keine Sorge, Sorgen machen ist cool. Das betrifft allerdings nicht Sorgen wegen Arbeitslosigkeit, Krebs oder angesichts der Streptokokken-artigen Karnevalssendungen, die den Krieg der Kulturen zwischen Nord- und Westdeutschland anheizen. Solche Sorgen sind altmodisch. Derzeit gibt es nur eine schicke Sorge, nämlich die um die Fußball-Weltmeisterschaft. Erst grämten wir uns, daß Terroristen heimlich atomare Abseitsfallen aufbauen könnten. Dann, daß unsere Stadien, noch bevor überhaupt Bomben explodierten, schon von allein zusammenbrechen würden. Und neuerdings fürchten wir, Teilnehmer und Zuschauer könnten bereits beim Anmarsch einem Virus erliegen und sich somit den beiden anderen Bedrohungen elegant entziehen. Da kommt der Fan mit seinen Sorgen ganz durcheinander und sorgt sich noch viel mehr. Die grüne Politikerin Bärbel Höhn sagte, wenn die Vogelgrippe sich erst von Mensch zu Mensch hangele, müsse die WM wohl ausfallen. Richtig. Unerwähnt blieb leider, daß das Turnier auch dann gefährdet wäre, wenn sich wegen einer Kontinentalplattenverschiebung ein tektonischer Graben zwischen Dortmund und Kassel öffnete oder ein Vulkan aus der Allianz-Arena sprösse. Dann wären die Fifa und der Platzwart gefordert. Eine Absage drohte außerdem, wenn andere Nationen die "Soll die Bundeswehr nun ins Mittelfeld oder auf Rechtsaußen?"-Debatte mißverstünden und auch mit ihren Streitkräften aufliefen. (Obwohl, Costa Rica würden wir wegputzen. Polen nicht, wegen der Geschichte.) Sollten sich gar außerirdische Schleimbeutel in den Strafräumen festsetzen, hülfe nur noch ein Wunder: Womöglich ginge dann einer der zwischen den Torpfosten vergrabenen Al-Qaida-Sprengsätze hoch. Die letzte Rettung: Alle Invasoren würden von einstürzenden Stadiondächern erschlagen. Und von toten Schwänen sowieso.


    André Mielke WamS 26.2.2006


    Der Mann sprach mir damals wie heute aus der Seele... ;)

  • Liebste Silentsigh,


    keine Panik (sic), meine Abrechnung mit der WM 2006 kommt ganz sicher, sobald ich meine Internetprobleme überwunden habe. Oder ich hoffe auf die omnipräsenten Killerbienen aus Südamerika, die "unsere" WM gefährden werden, damit ich noch ein wenig Zeit zum Schreiben habe. (Oder waren es Killer-Heuschrecken aus der deutschen Wirtschaft?)



    @ Kamon:


    wie, was? Du gibst mir Recht? Sind denn jetzt alle Menschen verrückt geworden?

  • Da muss ich mich mal einschalten: Der Erreger der Spanischen Vogelgrippe war der H1N1-Virus, der momentane Erreger der (angeblich) gefährlichen Variante ist der H5N1-Typ. Was daraus an Krankheitspotential für Menschen gemacht wird, ist allerdings grotesk. Die Leute sollten besser aufpassen, sicher über die Straße zu kommen....

  • @ Dainem
    Wenn du die menschliche Dummheit anprangerst, wirst du bei mir nie auf taube Ohren stoßen, sei versichert. ;)


    @ fibanocci
    Ja, aber trotzdem gehört dieser H1N1-Virusstamm heute zu den ungefährlicheren Gripperregern. Soll heißen, selbst wenn es mal zu einer H5N1-Pandemie kommen sollte, kann es gut sein, dass die Menschen fünfzig Jahre später daran nicht mehr sterben. Auch Grippe ist vergänglich... (hört sich irgendwie beruhigend an, nicht? -.-)

  • Warnung!


    Der nachfolgende Text ist für Menschen, die keinen Sinn für Ironie besitzen, nicht geeignet. Er enthält viele unverständliche Worte und sollte daher nur mit Begleitung einer kundigen Aufsichtsperson gelesen werden. Anspielungen auf real existierende Organisationen sind nicht nur rein zufällig, sondern unvermeidbar.



    Das Geld ist rund!

    oder
    Gedanken zur kommenden WM


    Um eins vorweg zu nehmen: Ich bin riesiger Fußballfan, insbesondere auf Länderebene. Spiele wie das Halbfinale gegen die Engländer 1996 oder der Marsch ins Finale 2002 werden immer unvergessen bleiben. Daher war es 2000 für mich wie für viele andere eine göttliche Botschaft, als Blatter verkündete: Die WM kommt nach Deutschland.


    Jetzt schreiben wir das Jahr 2006, und es sind noch etwa 90 Tage, bis zur omipräsenten FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 © ® ™. Zeit also, meine Meinung kund zu tun:


    Auch wenn das Motto der diesjährigen WM „Zu Gast bei Freunden“ heißt: treffender wäre wohl „geduldet von der FIFA™“. Denn es ist nicht König Fußball oder seine treuen Anhänger, die regieren. Es herrscht die Diktatur des schnöden Mammons. Die Dreistigkeit und Arroganz stellt dabei einiges in den Schatten.


    Beginnen wir ganz profan bei der FIFA® (Fédération Internationale de Football Association). Auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag, also ob Deutschland und das OK die Fäden in der Hand halten würde, so ist dies leider ein Trugschluss.
    Am deutlichsten wurde das bisher bei der „Eröffnungs“- Feier, die aus „rasentechnischen“ Gründen kurzerhand abgesagt wurde. Aber seien wir doch mal ehrlich: wer braucht schon eine Eröffnungsfeier? Wir doch nicht. Wir sind doch nicht Olympia. Und außerdem ist der kulturelle und freundliche Ruf unseres schönen Landes eh schon hoch genug. Eher würden wir den noch ruinieren. Gute Arbeit, Herr Blatter! Sehr weitsichtig von Ihnen!


    Kommen wir auch schon zu meinem Lieblingsthema der diesjährigen WM: Die Kartenvergabe. Was für ein herrliches Thema. Es gibt ein Kontingent von etwa 300000 Karten. Klingt viel, ist es aber nicht. Denken wir mal kurz nach: es gibt 80 Millionen Deutsche, die Hälfte davon sind männlich… macht 40 Millionen potenzielle Interessierte, von denen geschätzte 15 Millionen so eine Karte bekommen wollen. 300000 Karten für 15 Millionen Deutsche, und dabei sind die weiblichen Fans und die übrigen etwa 3 Milliarden Interessierten noch gar nicht berücksichtigt!


    Doch warum soll man sich überhaupt bemühen; eine Stelle der Gleichung stimmt nämlich nicht. Ich erwähnte 300000 Karten. Um ganz ehrlich zu sein, nicht alle kommen in den freien Verkauf. Ein kleiner Prozentsatz der Karten geht an die Sponsoren und Partner. Ganz unerheblich. Bemerkt man fast gar nicht. Sind ja nur 200000 oder 66% der Karten, die man gar nicht frei erwerben kann. Wie ich schon sagte, fällt gar nicht auf.


    Wenn man sich also gegen die gefühlten 5 Milliarden Mitbewerber um die übrigen 100000 Karten zanken will: Kein Problem. So transparent waren Kartenverkäufe nämlich noch nie. Jedenfalls aus Sicht der Verkäufer. Der werte Kunde hat nämlich ein paar Angaben zu seiner Person zu machen. Solche irrelevanten Daten wie die Familienzugehörigkeit, derzeitiger Beruf, Personalausweisnummer, Schuhgröße, Lieblingskaugummisorte oder bevorzugter Sexstellung. Alles natürlich aus Gründen des, äh, … Moment bitte („Otto, was musste ich doch gleich den Idioten da draußen erzählen, wenn sie wissen wollen, warum wir sie ausspionieren? …Ach ja genau!“ ). Also, alles natürlich aus Gründen der Terrorismusbekämpfung, versteht sich doch von selbst.


    Solltet Ihr nicht zu den 20 Milliarden Menschen gehören, die zwar nicht an der Ziehung der Kartenvergabe teilgenommen haben, dafür aber gehofft haben, die EINE Karte bei ebay oder sonst wo zu bekommen: Ich muss euch leider enttäuschen. Da sieht die FIFA™ nämlich gar nicht so gern. Dann sind die ganzen Datenerhebungen ja sinnlos. Deshalb setzt sich die FIFA® über geltendes Deutsches Recht hinweg und verbietet mal kurz den Weiterverkauf. Ist die FIFA© dazu überhaupt berechtigt? Wen juckt´s, schließlich heißt die Hierarchie der modernen Welt Geld, Geld, Geld.
    Aber halt! So böse ist selbst die FIFA™ nicht. Selbstlos gestattet Sie den Weiterverkauf an die allernächsten Verwandten. Ich sehe jetzt schon die Arier-, äh, FIFA® -Scheine, die bezeugen, dass man zu mindestens 25% mit einem Kartenträger blutsverwandt ist. Kleiner Tipp von meiner Seite, liebe FIFA©: Zur Klassifizierung solcher Menschen haben sich früher solche Sterne am Hemd bewährt. War in Deutschland ein Renner. Warum das dann später abgeschafft wurde, habe ich leider vergessen.
    Doch nicht nur an Blutsverwandte darf man weiterveräußern! Die FIFA™ geht sogar noch weiter. Sollte man mehrere Monate im Voraus wissen, dass man zum gewünschten Spiel verstorben ist, darf man ebenfalls die Karten verkaufen. Benötigt werden bloß 3 unabhängige ärztliche Gutachten und ein sauber ausgefüllter Totenschein in doppelter Ausfertigung.


    Kommen wir zur dritten Gruppe: diejenigen von uns, die kein Losglück hatten oder keinen 80-jährigen totkranken Großvater, der eine Karte bekommen hat.
    Es gibt noch eine dritte Möglichkeit an Karten zu kommen. Denn da gibt es ja noch die Sponsoren. Die haben nicht umsonst so viele Karten gekauft. Die sollen nämlich möglichst gewinnbringend an den Mann gebracht werden. Das dem „homo idiotius“ gar nicht auffällt, dass diese Organisationen ihm die Karten vor der Nase weggeschnappt haben, um sie nun in teuren Gewinnspielen zu verhökern: umso besser. Hier noch mal alle Namen der nationalen Förderer, damit man sich bei ihnen für diese Schlauheit bedanken kann:


    Deutsche Bahn AG, Postbank, OBI, Hamburg-Mannheimer, EnBW und Oddset (insbesondere Oddset!).



    Es gibt noch eine vierte Gruppe. Ausführliche Informationen dazu hier. Klick mich.



    Stellen wir uns vor, wir hätten jetzt WM- Karten bekommen. Dann sind wir noch lange nicht am Ziel. Denn:
    Man kann aus dem Stadion verwiesen werden, wenn man das falsche T-Shirt anhat (z.B. Werbung von Erdinger). Ist ja auch logisch. Wer will da schon widersprechen, schließlich sind die wirtschaftlichen Interessen der Hauptsponsoren weitaus höher einzuschätzen als der primitive Wunsch des „Fans“, sich ein Fußballspiel anzuschauen. Es geht ja nicht um Fußball, sondern um Geld. Wie? Sie haben für die Tickets Geld bezahlt? Seien Sie froh, dass Sie überhaupt welche abbekommen haben. Und das hätten Sie sich vorher überlegen sollen, bevor Sie dieses Konkurrenz T-Shirt angezogen haben. Mit welcher Unverfrorenheit sich manche selbsternannten Fans benehmen, einfach unerhört…
    Doch das passiert natürlich nur, wenn man überhaupt den Weg ins Stadion gefunden hat. Einige hat man nämlich kurzerhand umbenannt. Warum? Schaut in euer Portmonee. Da findet Ihr die Antwort.
    Und den Kampf durch die Bannmeile der FIFA™ nicht vergessen! Vorbei zu finden an all den Ständen und Werbeträgern dürfte eine echte Herausforderung sein



    Ciao


    Dainem - Anhänger der fünften Gruppe (Sportfan in der Kneipe)



    P.S:. Am 20.4. entscheidet sich übrigens, ob die Regelung des Weiterverkaufs gegen Deutsches Recht verstößt


    P.P.S: sollten die „deutschen“ Stadien wie in Südkorea und Portugal halbleer sein, weil der Kampf gegen den Schwarzmarkt so außerordentlich erfolgreich sein wird, dann [zensiert wegen Verstoß gegen $ 130a StGB]

  • Der folgende Text enthält keine Ironie. ;)


    Da mir Fussball sowas von am Allerwertesten vorbei geht und mich alles, was damit zusammenhängt in großen Stil abstößt, sind mir diese ganzen Problemchen herzlich egal. Ich finde es nur witzig, wie das ganze Land momentan in einer Mischung aus Euphorie und Panik versinkt. Sowieso könnte ich eigentlich die ganze Zeit nur lachen, wenn ich an Fussball und WM denke.

  • Mit diesem ganzen Fußballquatsch kannst du mich einmal quer über den Weltball treten...


    Zitat

    Original von Dainem


    omipräsenten...


    aber das halte ich für eine gelungene Wortneuschöpfung. :P

  • @ Fibanocci & Kamon:


    Es wäre sehr schön, wenn ihr zwei nicht die einzigen wäret, die sich nicht für Fußball interessieren. Dann würde ich nämlich leichter an Karten herankommen. Paradoxerweise verhindern aber gerade Fußballdesinteressierte wie die FIFA mit ihrer „Das Geld zuerst“ – Politik diesen profanen Wunsch (ja, auch ich wünsche mir manchmal einfache Dinge).



    Weiter im Programm: Angeregt durch die erheiternden Diskussionen mit meril bezüglich der Helvetismen wird mein nächstes Thema sich mit der Deutschen Sprache beschäftigen. Allerdings erscheint mir das Schweizerische als nicht ergiebig genug, um ordentliche Polemik zu erzeugen. Gott sei Dank habe ich dafür schon genau das richtige gefunden: Der Feminismus und wie er die Schönheit unserer aller Lieblingssprache zerstört.


    Bis demnächst, liebe Leserinnen und Leser


    Dainem



    P.S. Da ich erst in 168 Stunden dazu komme, hier wieder reinzuschreiben, eine kleine Denksportaufgabe für zwischendurch. Ist nicht so schwierig:


    Das Ziegenproblem


    Sie nehmen an einer Spielshow teil, bei der Sie eine von drei verschlossenen Türen wählen dürfen. Hinter einer verbirgt sich ein Auto, die anderen beiden enthalten Ziegen.
    Nachdem Sie gewählt haben, öffnet der Moderator (der weiß, wo sich die Ziegen befinden!) eine der beiden anderen Türen, hinter denen sich eine Ziege befindet. Es bleiben also zwei Türen zur Auswahl: die erstgewählte; und die Tür, die der Moderator nicht geöffnet hat. Jetzt darf man sich zwischen diesen beiden übrig gebliebenen Türen entscheiden.


    Lohnt es sich, zu wechseln?

  • Zitat

    Original von Dainem

    Das Ziegenproblem


    Habe das gerade vorgestern einer Freundin erzählt; ein herrliches Beispiel, wie trügerisch Intuition sein kann (da gibt es noch andere, erstaunliche Stories ;) )


    Übrigens hätte ich Dir, Dainem, noch ein tolles Thema, über welches Du eifrig polemisieren könntest und dürftest (Schützenhilfe von mir garantiert):


    Die Musik- und Filmindustrie


    Subthema:
    -> Der Kopier-... äh, pardon, Abspiel-Schutz von CDs und DVDs oder: Die Gängelung des zahlenden Kunden.
    -> Die "Raubkopierer sind Verbrecher"-Kampagne (mit dem stimmungsvollen "Frischfleisch-Knacki"-Trailer als Gallionsfigur) und
    -> deutsche Abmahnanwälte (ein Thema für sich) machen für die MI und FI mobil (z.B. Dr. Zock und RA Nepp mahnen im Namen der Musikindustrie Musik-Fansites wegen Songtexten ab).


    Das wäre doch was, oder? :P



  • Das hatte ich doch schonmal erwähnt, oder täusche ich mich da? Moment, ich schau mal kurz:


    Zitat

    Original von The man formerly known as the Dainem
    Warum haut niemand die Musikindustrie, weil sie so unfassbar miese Gülle produzieren, diesen Einheitsbrei dann auch noch mit einem grauenhaften Abspielschutz versehen und sich dann wundern, warum niemand mehr Musik-CDs kauft? Und wieso schaffen es die Herren und Damen nicht, umzudenken und gute Musik zu produzieren, sondern Ottonormalverbraucher mit noch viel mehr musikalischem [hier steht ein sehr böses Wort] überschütten? Liegt es daran, dass die letzte verbliebene Käuferschicht aus pubertierenden und geistig hinterherhinkenden „Wesen“ besteht, die es noch nicht geschafft haben, den Konsumterror (durch BILD, RTL, Radio, BRAVO, YAM etc.) zu durchschauen und allem hinterher hecheln, was ihnen die Musikindustrie vorsetzt? Und warum muss ausgerechnet ICH in so einem Land leben, in dem ein Krokodil namens Schnappi (häutet es!), ein Frosch mit dissoziativer Identitätsstörung und eine Boyband namens „Tokio Hotel“ (geht wieder in den Kindergarten!) es tatsächlich schaffen, die Charts zu stürmen?


    Ich stelle mit Erschrecken fest, dass ich meinem absoluten Lieblings-Hass-Gegner noch nicht die Aufmerksamkeit gezollt habe, die er verdient hat. Muss ich nochmal ne kurze Checkliste erstellen:


    GEZ: Okay
    FIFA: Okay
    Deutsche Bahn: okay
    Dummheit der Menschheit: unerschöpflich (meine Lieblingsinspirationsquelle, by the way)
    Feministen: kommt nächste Woche
    Musikindustrie und Abmahnanwälte: ist vermerkt (muss nur aufpassen, dass mein Sarkasmus bei DIESEM Thema nicht überläuft...)


    Danke für den sachdienlichen Hinweis


    ciao


    Dainem


    P.S. Noch ein kleiner Vermerk von meiner Seite:


    Dass sich die Technik eines Tages gegen die Menschheit richten würde, wussten wir. Dass dies aber in Form von polyphonen Klingeltönen geschehen würde, hat niemand vorhergesehen. *unterschreib*

  • @ Dainem
    Da hier niemand auf dein Ziegenproblem antwortet, tue ich es mal:
    Wechseln! Die Chance, dass sich hinter der anderen (also nicht der erstgewählten) noch verschlossenen Tür, das Auto befindet, ist zu 2/3 größer, als dass es sich in der Erstgewählten befindet.


    BTW: Das ist uralt, soweit ich weiß gabs das schon bei den griechischen Philosophen, und jahrhundertelang haben die Menschen nicht verstanden, warum es so ist und nicht anders... (nämlich 50/50)...

  • Zitat

    Original von Kamon
    @ Dainem
    Da hier niemand auf dein Ziegenproblem antwortet, tue ich es mal:
    Wechseln! Die Chance, dass sich hinter der anderen (also nicht der erstgewählten) noch verschlossenen Tür, das Auto befindet, ist zu 2/3 größer, als dass es sich in der Erstgewählten befindet.


    Der Kandidat erhält 100 Punkte! Und die Auszeichnung "Schlaukopf Erster Klasse".


    Das Ziegenproblem ist mein absolutes Lieblingsbeispiel, dass der Mensch
    1. von Wahrscheinlichkeit keine Ahnung hat
    2. seiner Intuition nicht folgen sollte und am schlimmsten
    3. sehr boshaft werden kann, wenn man versucht, ihn von seiner "richtigen" Meinung abzubringen.


    Und ja, das Problem ist uralt. Aber noch in den nächstem Hundert Jahren werden Generationen von Menschen dieses Problem nicht begreifen (und mich als Lügner und Hochstapler diffamieren [und ich habe trotzdem Recht!]).



    Dainem


    P.S. Lösungen zum Verständnis dieses netten Problemes gibt es hier, hier, hier und hier.

  • Ich erinnere mich an den 1. Weihnachtsfeiertag des Jahres 2004, als ich versuchte, beim Gansessen bei meiner Tante, meinen Onkel davon zu überzeugen, dass es 2/3 und nicht 50 % sind. Hat mich den ganzen Nachmittag gekostet und ich glaube, er hat es immer noch nicht verstanden. Mir wurde währenddessen völlige mathematische Unkenntnis, Ketzertum und Verwirrung der Menschheit vorgeworfen... also ich kenne das Problem. *g*

  • Hallo allerseits,


    Da ich mich derzeit in einer selbstauferlegten kreativen Pause befinde, ich aber meine treuen Leser nicht enttäuschen müsste, erlaube ich mir, einen Text zu publizieren, der ausnahmsweise mal nicht von mir geschrieben wurde. Der Text passt wunderbar hier hinein, weil er nicht nur über die Musikindustrie herzieht, sondern auch meine Meinung über dieses Thema in einer Art und Weise ausdrückt, wie selbst ich es nicht besser formulieren könnte.
    Der Text schwirrt schon seit einiger Zeit im Internet. Leider weiß ich nicht, wer der Verfasser ist; dem Mann (oder Frau?) würde ich aber gerne ein Bier ausgeben.


    Dainem



    Die Zukunft der Musikindustrie


    2002: Als beste Künstler werden Madonna, Herbert Grönemeyer, Tom Jones, Cher, und Santana ausgezeichnet. Zu den Top-Hits gehören Westlife mit "Uptown Girl", die No Angels mit "All Cried Out", Kelly Osbourne mit "Papa Don't Preach", Madonna mit "American Pie". Die Musikindustrie erfährt zum ersten Mal nach einer langen Boomzeit einen Umsatzrückgang. Als Hauptursachen macht sie das in Mode gekommene Kopieren von CDs und das Tauschen von Musikdateien im Internet verantwortlich. Um den Kids klar zu machen, daß das Kopieren von Musik letzendlich die Künstler schädigt, startet die Industrie die Kampagne "Copying Music is Killing Music".


    2003: Die Musikindustrie zeichnet Herbert Grönemeyer, Nena, Kim Wilde, Ozzy Osbourne und Metallica als beste Künstler aus. Das Album Nr. 1 ist Nena mit Remixen ihrer größten Hits. In den Hitparaden finden sich neben Alexander, Juliette und Daniel K. auch Jeanette Biedermann mit "Rock my Life", das stark nach Roxette klingt. Weiterhin gehören Lichtenfels mit "Sounds like a Melody", Outlandish mit "Aicha", Kraftwerk mit "Tour de France 2003", KCPK mit "We will Rock You" und Murphy Brown mit "Axel F 2003" und Culture Beat mit "Mr. Vain Recall" zu den Tophits.


    Die meisten CDs haben Kopierschutz. Seit August ist das Kopieren kopiergeschützter CDs verboten, ebenso das Herunterladen von Musik aus dem Internet. Der Umsatz der Musikindustrie geht um weitere 15% zurück, besonders betroffen Hit-Kompilationen mit 47%.


    2004: Die Musikindustrie zeichnet Herbert Grönemeyer, Marius Müller-Westernhagen, DJ Bobo, Marianne Faithfull und Pur aus. In den Charts stehen das Hollywood Dance Project mit "Relax Reloaded", Kajagoogoo mit "Too Shy 2004", Nena mit "Haus der 2004 Sonnen" und Nico W aus "GZSZ" mit "Ich vermiß Dich wie die Hölle" lange Zeit ganz oben.


    Mit Hilfe einer automatisierten Sauger-Suche kann die Musikindustrie alle Nutzer von Tauschbörsen ausfindig machen. Fünf Millionen Haushalte in Deutschland erhalten daraufhin Post des Münchner Anwalts G., der ultimativ die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung einfordert und die Erstattung von Auslagen über 583,74 Euro.


    Die Tauschbörsen brechen zusammen. Die Hälfte aller T-DSL-Anschlüsse wird gekündigt. Der Umsatz der Musikindustrie geht um weitere 10% zurück.


    2005: Es werden Herbert Grönemeyer, Tom Jones, die Supremes, Suzi Quatro und Elvis Presley als Künstler des Jahres ausgezeichnet, dazu Status Quo mit dem Innovationspreis des Musiker-Managements. Die Charts führen an Peter Maffay mit "So bist Du 2005", Roberto Blanco mit "Ein bißchen Spaß muß wieder mal sein" und Zarah Leander mit "Ich weiß, auch 2005 wird ein Wunder gescheh'n."


    Der Umsatz der Musikindustrie schrumpft erneut um 50%.


    Die Trend-Scouts entdecken, daß unter den Jugendlichen 60er- 70er-80er und 90er- Revivals in sind. Sie treffen sich zu FlowerPower-, Disco-, New Wave- und Rave-Parties und hören die CDs ihrer Eltern. Original-CDs und LPs der vergangenen vier Jahrzehnte werden verstärkt bei Ebay gehandelt. Es wird vermutet, daß die Kids die CD erwerben, kopieren und dann weiterverkaufen. Das ist legal, da die alten CDs keinen Kopierschutz haben und nur Originale angeboten werden.


    2006: Die Musikindustrie bringt ein neues Tonträgerformat heraus: Die "Smart CD". Sie benötigt spezielle Abspielgeräte mit Internet-Anschluß. Die Smart-CDs lassen sich nur abspielen, nachdem vorher eine Lizenz über das Internet gekauft wurde. Lizenzen gibt es nur noch temporär, es ist nicht mehr möglich, ein Musikstück "für immer " zu erwerben. Dafür werden die "Smart-CD"-Spieler im Bundle mit einem Musik-Abo für einen Euro angeboten.


    Als erfolgreichste Künstler werden Herbert Grönemeyer, die Scorpions, Mark Oh, Oli P. und Peter Kraus ausgezeichnet. Die Charts werden beherrscht durch Songs wie "Flugzeuge im Bauch Ultimate Edition" mit Herbert Grönemeyer, Oli P. und Xavier Naidoo, "You Keep Me Hanging On" mit den Supremes, Kim Wilde und Sinema sowie "Anyplace, anywhere, whatever" von Nena, Kim Wilde und Jan Delay.


    Aus Anlaß der Fußball-WM wird mit großem Marketing-Aufwand eine neue Latino-Salsa-Welle propagiert, mit Carlos Santana und Richie Valens "La Bamba World Cup 2006 Mousse T. Remix") als Galionsfiguren. Obwohl Brasilien zum sechsten Mal Weltmeister wird, hat die Welle nur mäßigen Erfolg.


    Der Absatz der Musikindustrie sinkt weiter.


    2007: Mit Hinweis auf die vielen bedrohten Arbeitsplätze setzt die Musik-Lobby ein Gesetz durch, nachdem der Rückruf einmal erteilter Lizenzen möglich ist. Prompt widerruft die Industrie alle bisher erteilten Lizenzen auf nicht kopiergeschützte Tonträger. Damit werden alle älteren CDs und alle LPs illegal, ebenso Plattenspieler und CD-Spieler, die nicht dem "Smart CD" Standard entsprechen. Im Austausch für ihre Original-CDs bietet die Industrie CD-Besitzern eine Einjahreslizenz für die auf der CD vorhandene Musik an.


    Nach einer erneuten Abmahnwelle der Kanzlei G. aus M. bricht der Tonträgerhandel über eBay zusammen.


    Auf die Veröffentlichung von Charts und die Auszeichnung von Künstlern wird verzichtet. Zunächst einmal müssen die Lagerbestände an CDs abverkauft werden.


    2008: Musik wird in Deutschland nur noch im Radio oder bei Konzerten gehört. Das Radio verliert aber an Popularität, seit die Industrie die Sender zwingt, nur noch neueste Produktionen zu spielen und über diese drüberzusprechen, damit das Aufnehmen mit Tapedecks verhindert wird. Konzerte sind fast unbezahlbar geworden, da das gesamte Management von den Eintrittspreisen mitbezahlt werden muß.


    Dagegen häufen sich die sogenannten "Open Jams", spontane Zusammenschlüsse von Hobby-Musikern, die auf öffentlichen Plätzen mit Gitarre, kleinem Schagzeug, Keyboard, Saxophon etc. Musik spielen und von begeisterten Zuhörern gefeiert werden.
    2009: Die Musiklobby setzt beim Gesetzgeber das Verbot öffentlicher und privater Performance urheberrechtlich geschützen Materials durch. Musikinstrumente werden mit einer Urheber-Abgabe belegt, da man ja eine Gitarre etwa zum Raub-Abspielen von Stones-Songs missbrauchen kann. "Making music is killing music" lautet die begleitende Kampagne, die den Leuten Unrechtsbewußtsein beibringen soll.


    2010: Um Arbeitsplätze bei Musikern zu schützen, wird Musikunterricht rationiert: Es dürfen nur noch so viele Nachwuchsmusiker ausgebildet werden, wie der Markt braucht. Da dieser schneller schrumpft als die Musiker wegsterben, bedeutet das faktisch ein Verbot des Musikunterrichts. Hunderte Musikschulen werden geschlossen.


    2011: Sarah Connor versucht mit "Terminate Me" einen neuen, nicht gecoverten Song herauszubringen, wird aber dafür von den Anwälten der Musikrechteinhaber verklagt, die es nicht erlauben, daß neue Urheber am kleiner werdenden Kuchen mitverdienen wollen. "Composing music is killing music" heißt das Schlagwort der Inhaber alter Rechte. Sarah Connor gewinnt den Rechtsstreit, wird aber kurz darauf unter mysteriösen Umständen ermordet aufgefunden. Von nun an traut sich niemand mehr, neue Songs zu schreiben.


    2012: Die Eltern des 6-jährigen Wolfgang Amadeus Moherb, des "Jugend-musiziert"-Siegers, werden zu 150.000 Euro Schadenersatz an die Musikindustrie verurteilt, weil sich herausgestellt hat, daß ihr Kind erst seit eineinhalb Jahren musiziert, also nach dem Inkrafttreten der Unterrichts-Rationierung. Seine Lehrerin, die Violinistin Anne-Sophie Mutter, entzieht sich einer Gefängnisstrafe durch Flucht in den Irak, dem einzigen Land, das nicht unter Kontrolle der westlichen Wertegemeinschaft und damit der Musikindustrie ist.


    2020: Nahezu jede tonliche Äußerung, darunter Motorgeräusche, Trittschall, Türschließgeräusche und gesprochenes Wort, sind unter urheberrechtlichen Schutz gefallen. Eine Tür zumachen darf quasi nur noch, wer nachweisen kann, daß der dabei erzeugte Schall nicht dem von Porsche patentierten ähnelt. Die einzigen lizenzfreien Worte sind "der", "die", "das", "und" und "hallo". Die Gespräche von Menschen, die sich das "Deutsche Sprache Abo" nicht leisten können, sind daher fast unverständlich geworden. Überhaupt ist es sehr still geworden, da fast jede Schallerzeugung das Risiko einer Abmahnung durch den Münchner Justizkonzern G. und Söhne mit sich birgt.


    Die Anwälte der Ton und Schall Industrie-Gemeinschaft machen Jagd auf Park- und Waldbesitzer, die in ihren Anwesen das illegale Singen von Vögeln dulden.


    2050: Europa und die USA sind in einem Handstreich vom Irak eingenommen worden. Die Iraker brauchten nur einen einzigen Muezzin, um die halbe Streitmacht der Westmächte auszuschalten, die sich, an Schall nicht mehr gewöhnt, mit zugehaltenen Ohren am Boden wälzte. Die andere Hälfte und die zivile Bevölkerung wurden dadurch gewonnen, daß man ihnen Kinderlieder vorsang. Die Menschen fingen an zu weinen und den Invasoren auf Knien zu danken, für diese neue und wunderbare Gabe, die sie so lange vermißt hatten. Seither ist der Islam die größte Weltreligion und das Reich Allahs unter der weisen Herrschaft des Kalifen von Washington schwingt sich auf zu neuer Blüte.

  • Das wird nur ein bisschen wehtun

    oder

    Die wahrscheinlich denkwürdigste Weisheitszahnentfernung der Welt


    Liebe Kassen- und Privatpatienten,


    Ich möchte heute über ein Thema referieren, welches jeder Patient zur Genüge kennen dürfte und in der Beliebtheitsskala wohl zwischen „Rasenmähen in Tschernobyl“ und „Gassi gehen mit tollwütigen Rottweilern“ liegt: der Zahnarztbesuch. Nicht, dass ich damit irgendwelche Probleme hätte, aber ein wenig Unwohlsein geht damit trotzdem einher. Fast so, als ob schon unsere Vorfahren in der grauen Steinzeit eine animalische Angst vor dem Zahnarztbesuch an den Tag gelegt hätten. Jedenfalls ist der Kelch der Weisheitszahnentfernung nun bei mir gelandet, und gegen sein Schicksal kann man nicht ankämpfen. Doch beginnen wir:


    Am Anfang war die Rezeption. Und die ZAHNARZTHELFERIN sah, dass der Patient pünktlich erschien, und SIE sah, dass es gut war. Und SIE sprach: Es werde Platz genommen in dem Wartezimmer. Und so ward es. Und der Patient sah, dass SIE verschwunden war, und es war ihm Recht.
    Doch genug der prophetischen Worte. Denn bevor ich mir auch nur die leisesten Gedanken machen kann, erscheint eine zweite Helferin, die mich zum Operationssaal geleitet. Doch vor der Tür bleibt sie stehen und sagt die Worte, die ein Patient normalerweise erst viel später hört: „Das sieht schlimmer aus, als es ist“. Doch leider: Der OP- Saal hat etwas derartig beunruhigendes an sich, dass sich kurz mein Mageninhalt meldet. Majestätisch tritt der OP- Sessel hervor, als wäre er ein Thron. Nur, dass ich diesen ungleich weniger gern besteige.


    Kaum werde ich wie im Flugzeug in die richtige Sitzposition gebracht, sagt meine heutige Zahnbegleitung: „Es wird in Kürze beginnen“. Sprach´s, und verschwand. Ganz mit meinem Gehirn allein gelassen, beginnt meine Fantasie zu arbeiten. Und die scheint auf dem Zahnarztstuhl besonders zu florieren. Bilder erscheinen vor meinem geistigen Auge. Bilder, in denen wie aus einem Alptraum kleine Gnome entsetzliche Sachen mit meinem Gebiss anstellen, angestachelt von der Zahnfee, die wie bei Alice im Wunderland schreit: „Köpft ihn! Holt mir seine Zähne!“. Und genau in dem Moment öffnete sich die Tür, und die Zahnfee erscheint im Raum. Nur, dass diese einen typischen Zahnarztkittel anhatte und aussah wie meine Zahnärztin. Quatsch, das ist nicht die Zahnfee, sondern meine Zahnärztin.
    Kurze Begrüßung, freundlicher Hand shake, wie zwischen Preisboxern, und schwupps werde ich in waagerechte Position gebracht. Nicht umsonst nennt man den Zahnarztberuf schließlich „das horizontale Gewerbe“. Meine Ärztin begutachtet meine Zähne, dann sagt sie „Haben Sie noch irgendwelche Fragen?“
    Fragen? Ich? Eine ganze Menge. Stammen wir wirklich von Außerirdischen ab? Warum ist die 1 keine Primzahl? Sind Ernie und Bert wirklich schwul? Werde ich Frauen jemals verstehen? So viele Fragen, doch ich verkneife sie mir und stelle bloß eine: Muss das wirklich sein? Als Reaktion gibt es nur ein graziles Lächeln, als ob sie geahnt hätte, dass ich so was sagen würde. Egal, jetzt kommt der spaßige Teil. Wie von Hexerei hat sie auf einmal eine gewaltige Spritze in der Hand und sagt die magischen Worte: „Das wird jetzt ein wenig wehtun“.
    An dieser Stelle ein Wort an alle Ärztinnen und Ärzte: Ich kann ja verstehen, dass ihr es nur gut mit uns meint, aber etwas kontraproduktiveres gibt es nicht: Jeder Patient weiß, dass es besonders schmerzhaft wird, wenn dieser gebetsartige Ausdruck verwendet wird.
    Doch das spielt für mich jetzt keine Rolle. Mein Verstand kreist einzig um diese Spritze. Mein Verstand teilt mir mit, dass er noch nie eine solch riesige Spritze gesehen hätte. Wie ein Schutzreflex beruhigt mich mein Verstand: Keine Panik, das Ding würde die niemals in dich rammen. Jeden Moment wird sie aufspringen und sagen: „Verarscht!“ Doch dieser Moment, so sehr er auch von meinem Verstand und mir herbeigesehnt wird, kommt nicht. Stattdessen haut sie mir die Spritze in mein geliebtes Zahnfleisch (lat. Gingiva; Anm. d. Red), und mit einem Mal wird mein Mundwinkel zum Zentrum des Universums, zum Quell aller Schmerzen dieser Welt. In diesem kurzen Moment fühlt man sich wahrhaftig lebendig und bekommt der Begriff „Weltschmerz“ eine völlig neue Bedeutung. Doch damit noch nicht genug, ich habe schließlich das volle Programm gewählt und gleich zwei Weisheitszähne (dentes serotini) bestellt. Gefühlvoll penetriert meine Ärztin mein oberes Zahnfleisch mit der Injektionsnadel und flößt mir zärtlich das Betäubungsgift ein.


    Und langsam spüre ich eine Erschütterung der Macht, genauer gesagt eine Lähmung in meiner linken Mundregion, die langsam um sich greift und meine Lippen und meine Zunge in Mitleidenschaft zieht. Jetzt heißt es warten, bis die Betäubung voll wirksam wird. Meine Zahnärztin blickt mich an und fragt, ob alles bisher in Ordnung sei. Mir bleibt nur, zu nicken, denn eine ordnungsgemäße Artikulation ist nun nicht mehr möglich.
    Da die Betäubung auch ohne ärztliche Anwesenheit von statten geht, verlässt meine Zahnärztin samt Hofstaat den Raum. Zeit, sich zu fragen, ob das Gift auch auf meinen Verstand wirkt. Mal testen. Also: warum bin ich hier? Weil ich meine Weisheitszähne entfernen lassen möchte. Nein. Stopp. Ich bin hier, weil meine Ärztin gesagt hat, dass diese entfernt werden müssen. Geldgeile [zensiert]. Und langsam kommen mir die ersten Zweifel. Was habe ich nur gegen meine Weisheitszähne? Haben die mir jemals was getan? Sind sie nicht integraler Bestandteil meiner selbst? Kann ich so einen Eingriff überhaupt rechtfertigen? Und was werden meine anderen Zähne dazu sagen? Werden diese in einen Generalstreik treten? Nein, das nicht. Meine Zähne sind noch nicht in einer Gewerkschaft organisiert. Schwein gehabt.
    Leise dringt eine Melodie in mein Bewusstsein. Ein französischer Chanson aus einem Lautsprecher. Die junge Dame singt von ihrer einzigen Liebe, die sie so vermisst. Wie traurig. Und nervtötend, denn ich hasse solche Fahrstuhlmusik. Moment, nervtötend? Dann hat dieses Gedudel doch noch was Gutes. Aber warum spielen sie dann nicht die „Kassenpatienten Club Rotation Vol. 5“? Mit solchen Smashhits wie Nancy Sinatras „Bang, bang, my dentist shot me down“ oder ABBA´s „Take a Dent on me“.
    Bevor ich weiter über Johnny Cashs “The Dent of Fire” meditiere, erscheint meine Ärztin samt Entourage zur endgültigen Extraktion. Alles wird vorbereitet, und dabei entgeht mir auch nicht das vor mir ausgebreitete Instrumentenbesteck, in jeder Form, Größe und Geschmacksrichtung. Meine Ärztin bemerkt meinen leicht panischen Blick und beruhigt mich mit den Worten: „Keine Sorge, die benutzen wir nicht alle.“ Wie beruhigend. Aber dann frage ich mich, warum dann alle Folterinstr… Werkzeuge unbedingt so plakativ ausgebreitet werden müssen. Egal, die Operation kann nun endlich beginnen, schließlich habe ich 10 € für den Spaß ausgegeben, und da will ich auch was für mein Geld sehen.


    Die Operation beginnt damit, dass ich auf einmal ein gleißendes Licht sehe, und wie wild zu ruckeln anfange. Cool, denke ich, meine erste Nahtoderfahrung. Aber nichts da. Nicht in deutschen Praxen, schließlich wird das nicht von den Krankenkassen übernommen. Stattdessen stammt das Licht von der Beleuchtung, die wie ein Raubtier über mir hängt, und das Vibrieren stammt von dem altersschwachen Behandlungsstuhl. Wieder verarscht. Aber dafür gestaltet sich die OP relativ harmlos. Man hat nur das Gefühl, dass da irgendjemand etwas mit dem Kiefer anstellt, was man normalerweise nicht mit dem Kiefer machen sollte. Aber immer noch weitaus angenehmer als die Tortur vor zwei Wochen mit der Zahnfleischquetschmaschine (vom Fachmann auch Matrize genannt). Und wenn man schon mal so gemütlich liegt und sich bearbeiten lässt, kann man auch gleich die Gedanken schweifen lassen. Was zum Beispiel machen die Ärzte mit den blutigen corpus delicti? Kommen die in die Privatsammlung und werden im Bekanntenkreis rumgereicht? Oder werden die zusammen mit den Krankenkassen rituell verbrannt und dann aus dem Rauch herausgelesen, wie hoch die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge für diesen Monat sein werden? Meine Frage wird rasch beantwortet, da die Operation nämlich schon beendet ist und mich die Ärztin fragt, ob ich die Zähne denn mit nach Hause nehmen möchte. Ich weiß nicht, wie Sie da reagieren würden, aber meine Reaktion war derart perplex, dass ich nur ein schwaches Nicken zustande brachte. Gleich wird sie noch fragen: Plastik- oder Papiertüte? Zum mitnehmen oder Gleich essen? Aber der Gedanke verfliegt sofort, denn schon stehe ich auf meinen Beinen und suche den Ausgang. Meine Ärztin erklärt mir noch irgendwas wegen Fäden ziehen und lächelt mich zufrieden an. Ich lächle zurück (das muss bei meiner Gesichtslähmung sehr makaber ausgesehen haben), und murmle etwas, dass sowohl „Schönen Tag noch.“ als auch „Sie verdammte Sadistin!“ heißen mag, und verlasse die Praxis; im Hinterkopf die Bemerkungen meiner Ärztin, welche Dinge ich erstmal nicht anrühren darf: Kaffee, Alkohol, schwarzer Tee, Nikotin, süßes, saures, dreifarbige Katzen, etc. Auch wenn ich persönlich den Verdacht habe, dass die Ratschläge weniger mit der OP als vielmehr mit meiner gesundheitlichen Verfassung zu tun haben. Die Ärzte von heute nehmen einem doch wirklich jeden Spaß am Leben. In Kürze behaupten die noch, Alkohol sei schädlich fürs Gehirn. Als ob Zahnarztbesuche weniger schädlich wären. Mein Schädel dröhnt schließlich schlimmer als bei meinen härtesten Wodka- Exzessen, und da hatte ich noch nicht mal eine Betäubungsspritze. Also wirklich. Wenigstens weiß ich jetzt, warum die Dinger im Mund Weisheitszähne heißen: Sobald man sie raus genommen hat, weiß man, dass es weiser gewesen wäre, die Zähne drinnen zu lassen.



    In diesem Sinne noch einen zahnarztfreien Tag


    Euer
    Zahnfleischbluter Dainem

  • WO ist Silentsigh, wenn man sie braucht?


    Kleiner Tipp: Bei jedem Umzug habe ich in meiner alten Praxis den Zahnarzt/die Zahnärztin gefragt, ob sie in der Stadt xy nicht einen Zahnarzt empfehlen kann. Und siehe da: einen Studienfreund (o.ä.) gab es immer.
    Großer Tipp: Wenn man bei dem neuen ZA auftaucht und bei jedem Besuch durchblicken lässt, dass man dem "alten" ZA immer berichtet, wie der letzte Besuch gerade war und auch immer schön Grüße ausrichtet, dann gibt der sich richtig Mühe! *g*

  • Die Story erinnert mich wie mal eine Impfung in der Schule war.Ich biun also dahingegangen wobei man mir sagte,das sie die Spritze(oh nein)ganz langsam einführen würde.Aber nix da,mir wurde das DIng richtig in den Arm gehauen,mir tat Tage später noch der Arm weh sadisten diese Ärzte :P

  • Armer Dainem, wie sieht dein Gesicht jetzt aus?
    Als mir vor Jahren ein Weisheitszahn gezogen wurde, sah ich am nächsten Morgen wie eine geschwollene, blau-grüne Birne aus. :D